Risikomanagement – Strategien aus verschiedenen Perspektiven

HamburgAm 11.05.2016 fand in Hamburg die Jahrestagung der 1. Wissenschaftlichen Vereinigung Projektmanagement zum Thema „Risikomanagement – Strategien aus verschiedenen Perspektiven“ statt. Die Perspektiven spannten vom Projektentwickler über die finanzierende Bank bis hin zum Generalunternehmer und enthielten darüber hinaus auch Spezialaspekte wie etwa solche der Gebäudegründung.

In der Projektpraxis wird Risikomanagement insbesondere von Architekten und Ingenieuren gerne als lästiger Formalismus empfunden, der primär der Befriedigung kaufmännisch-rechtlicher Prozesse und Systeme dient. Entsprechend halbherzig werden dann oft von den Technikern Risikolisten angelegt und mit den im Prinzip unbekannten Faktoren „Eintrittswahrscheinlichkeit“ und „Risikoaus­wirkung“ quantifiziert. Dieses eher lieblose Herangehen mag auch durch die berufsbildende Prägung erklärbar sein, wonach insbesondere der Ingenieur sich als genialer Problemlöser versteht und für ihn Kosten und Termine nur abgeleitete Größen des von ihm gelösten Problems darstellen. In diesem Fall verkennt der Ingenieur allerdings, daß sein Auftraggeber ein fertiges Werk bestellt hat, das einschließlich aller zu lösenden Probleme im Kosten- und Terminrahmen herzustellen ist. Das Risikomanagement ist demnach ein integraler und wesentlicher Erfolgsfaktor im Projektmanagement.

Menschen und mit ihnen ihre Projekte haben ein Bedürfnis nach Sicherheit, das durch die Ausweisung von Risiken droht erschüttert zu werden. Deshalb fällt es oft gar nicht auf, wenn das Risikomanagement nur halbherzig angelegt, und niederschwellig geführt wird. Vielmehr wird fälschlich daraus gefolgert, daß es kaum Risiken gäbe, und man sie alle im Griff hätte. Je geringer das ausgewiesene Risiko, umso besser, möchte man meinen. Dies sehen etwa Banken völlig anders: Risiko-Management ist ihr Kerngeschäft, sie verleihen Gelder und möchten sie vor allem wiederbekommen. Weil sie wissen, daß es keine Projekte ohne Risiken gibt, managen sie sie aktiv. Dementsprechend sind sie gegenüber der Projektseite geradezu „gierig“ danach, möglichst viele Risiken zu erfahren.

Im Risikomangement unterscheiden Banken dann zunächst solche Risiken, die sie wegen Unbeherrschbarkeit prinzipiell nicht eingehen. So werden etwa Grundstücksankäufe generell nicht finanziert, bevor die Altlastenfrage geklärt ist. Beeinflußbaren Risiken begegnen Banken durch ein projektindividuell ausgestaltetes Projektcontrolling, während nicht beseitigbare Risiken durch Rückstellungen abgepuffert werden. Hierfür verfügen Banken zwar über Methoden und Werkzeug­kästen, im Vordergrund steht jedoch die Mitarbeiter-Qualität, in die sie gezielt investieren. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Projektcontroller zu, der das Projekt nicht nur numerisch-wirtschaftlich, sondern vor allem auch technisch-inhaltlich vollständig durchdringen und plausibilisieren können muß.

Nicht nur für Banken ist die fachliche Qualität des Kunden und der von ihm eingesetzten Erfüllungsgehilfen ein wesentlicher Risiko-Faktor. Auch Baufirmen haben das Bestreben, ein Projekt gemeinsam mit ihrem Auftraggeber noch vor Vertragsabschluß vollständig inhaltlich zu durchdringen. Als positives Beispiel wurde insoweit eine Ausschreibung aus dem skandinavischen Raum vorgestellt, in der die Bieter die Projektrisiken nach einer detaillierten inhaltlichen Struktur zu ermitteln, und mit dem Angebot abzugeben hatten. Andererseits haben die Erfahrungen aus einem Sanierungsprojekt gezeigt, daß eine mehrwöchige gemeinsame Projektdurcharbeitung durch Bauherren- und Unternehmerseite für beide Seiten wertvolle Erkenntnisgewinne bringen, und den späteren Projektverlauf deutlich stabilisieren kann. Dabei können die Risiken sinnvoller Weise auch der Partei zugeordnet werden, die sie am wirksamsten beeinflussen kann.

Insgesamt läßt sich als Fazit festhalten, daß alle Risikolisten und Managementsysteme nur so gut sein können, wie die Kompetenz und Erfahrung der Akteure, die das Risikomanagement beauftragen und es aufstellen. Risikomanagement ist kein „Hexenwerk“, sondern eine Frage von Struktur und Bearbeitungstiefe. Das größte Risiko beim Bauen ist und bleibt der Mensch. Die beste Risikovorsorge sind offene qualifizierte Mitarbeiter und verantwortungsbewußte Manager. Dies beweist auch eine Studie zur Risikomitigation und zur Vermeidung von (Groß-)Schäden (M. Matousek et. al.), wonach von den durch Fehlhandlungen der Beteiligten eingebrachten Fehler 32 % bereits durch normale Aufmerksamkeit der Projektbeteiligten, und 55 % durch zusätzliche Kontrollen rechtzeitig hätten entdeckt werden können. Dies setzt aber voraus, daß zuvor organisatorisch die richtigen Maßnahmen ergriffen worden sind.

Einen möglichen Schnelleinstieg bietet die Kurzanleitung Risikomanagement von Wilfried Hoffmann, erschienen als Edition DVP Heft 4 im DVP-Verlag, Berlin.